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Rüsselkäfer

18.02.2016

2| Blenden mit Augenmaß

Das Problem der richtigen Blendenwahl beim Fotografieren wird im Neuland ausgiebig behandelt. Man kann dort lernen, wie die Auflösung der Optik im Zusammenspiel von z.B. Blendenöffnung, Abstand der Sensorpixel (pitch), Qualität des Objektivs und Rauschen des Sensors zu berechnen ist. Diese Auswahl der Parameter ist sicher noch nicht vollständig. Aber sie sagt mir, dass ich auf die Qualität des Endergebnisses nur begrenzt im Rahmen meiner Ausrüstung Einfluss habe. Mit der Kamera und den Objektiven, die ich zur Verfügung habe, muss ich auskommen. Schließlich ist es ja nur ein Steckenpferd. Es ist für mich also nicht so sehr von Interesse, die Auflösung meines Systems exakt zu berechnen und das Verbesserungspotential der neuesten auf dem Markt angebotenen Komponenten auszuloten.
Die Frage, die sich mir in der Praxis stellt, lautet: welche Blende soll ich im Rahmen der möglichen Belichtungszeiten und der vorhandenen Ausrüstung einstellen? Im Neuland lautet das allgemeine Fazit, man gehe nicht über f11 hinaus, sonst verdirbt die Beugung das Ergebnis. Natürlich gibt es genügend Gründe, in Richtung offener Blenden bis zur Grenze zu gehen. Die eintretende Verringerung der Schärfentiefe hat zwar oft genug auch jenseits des erwünschten Schärfeverlaufs negativen Einfluss auf die Qualität der Bilder. Aber unter optimalen Bedingungen erwarte ich in der Schärfeebene bei f2.8 keine geringere Qualität als bei f11.
Nach meiner Erfahrung sind die Einflüsse der Beugung bei moderaten Abweichungen von f11 beim Fotografieren unterwegs sowieso unerheblich. Es muss meist schnell gehen und dabei überwiegen die individuellen Bedienungs-Ungenauigkeiten. Da ich aber in letzter Zeit häufiger mit Makro und Stativ im Keller experimentiere, gewinnt das Problem der Blendenwahl nun doch an praktischer Bedeutung.
Wenn das Ergebnis, wie oben angedeutet, von dem verwendeten optischen System abhängt, liegt es nahe, es genau für meine Ausrüstung auszumessen. Dafür gibt es im Neuland Anleitungen, die im Wesentlichen auf keilförmigen Mustern beruhen (Siemensstern). Diese Methode setzt allerdings einen hochwertigen Drucker voraus. Meine Siemenssterne jedenfalls waren nicht ausreichend fein, um die Auflösung meiner Optiken auszureizen. Die Profis verwenden für die Tests mit speziellen Testmustern bedruckte Tafeln nach ISO 12233 (beschrieben bei Henner), die die Auflösung am Foto direkt ablesbar zeigen. Diese Tafeln sind bereits für unter 15,- € erhältlich.

Galerie Rüsselkäfer

Ich fand es aber sportlicher, die Messung mit Hausmitteln zu versuchen. Ein geeignetes Testobjekt mit ausreichend feinen Strukturen schenkte mir die Natur im letzten Herbst in einem leblosen Rüsselkäfer, der vor der Haustür lag und mir einen letzten Dienst erweisen wollte.
Heute war seine Stunde gekommen. Die Facettenaugen der Insekten sind mit üblichen Foto-Optiken anscheinend gerade noch aufzulösen. Ein kleiner Aufbau mit Stativ, Lampe und Fernauslöser reicht für eine Serie von Bildern mit allen verfügbaren Blenden meiner Nikon D5100 in Kombination mit einem Nikon-Makro 105 f2.8.
In der Auswertung nahm ich jeweils das Facettenauge in eine starke Ausschnittvergrößerung. So konnte ich in Photoshop den Durchmesser einer ausgewählten Facette als Maß für die Auflösung ausmessen. Das Minimum des Durchmessers ergibt sich überraschenderweise für Blenden zwischen f7.1 und f10. Für f11 bis f30 zeigt sich ein Plateau mit gut 2 Pixeln mehr im Durchmesser. Noch größere Blendenwerte lassen den Durchmesser dann linear auf bis zu 8 Pixeln ansteigen. Und wie oben schon vermutet, verschlechtert sich der Wert zur offenen Blende hin nur unmerklich.

Rüsselkäfer

Mit diesem Ergebnis könnte man in Versuchung geraten, die Blenden f7.1 bis f10 als optimal zu empfehlen. Aber die Bilder sehen bis f30 trotz der etwas erhöhten Durchmesser-Werte gar nicht schlechter aus als die vermeintlich optimalen. Andererseits ist mit offener Blende kaum noch etwas von den Facetten zu erkennen, so sehr sind sie weichgezeichnet. Anscheinend muss man auch die Auswirkung auf den Kontrast berücksichtigen. Diesen konnte ich als Spannweite der Grauwerte in Prozentpunkten über einen Facetten-Durchmesser hinweg messen. Die so gewonnene Kontrastkurve zeigt ein ausgeprägtes Maximum bei f18. Deshalb werde ich mich in Zukunft nicht scheuen, bei Bedarf und entsprechendem Licht bis zu diesem Wert abzublenden. Und die Vorstellung, bei offener Blende lediglich Schärfentiefe zu verlieren, scheint nicht haltbar zu sein. Ich denke, man sieht auch in der Zusammenstellung der Ausschnitte ganz gut, wie flau das Ergebnis zur offenen Blende hin wird. Ich bin schon gespannt, ob meine anderen Objektive ähnliche Resultate ergeben.





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